Gedichte über die neuen Funde

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Fundsituation des 2006 entdeckten Mammuts

Höhlengrabung


Was wir finden: das Zerbrochene,
unbrauchbar Gewordene,
das gut Versteckte,
im Aufbruch Vergessene,
das Verlorene und Vermisste

wird uns alles erzählen.

© für die Fotos: Universität Tübingen

Mammut-Vogelherd.jpg

Mammutfigur aus Mammutelfenbein, ca. 32 000 Jahre alt;
gefunden 2006 im alten Grabungsschutt bei der Vogelherd- Höhle

Fund


Als lägen wir auf Luftschiffen
und richteten die Fernrohre nach unten,
bemüht, keinen Schatten zu werfen

über das Mammut, wie es
tief aus der Erde gefallen
schaukelt voran,
in der Bewegung noch der Hand,
die genau wusste,
wieviele Kerben genügen
für den Kopf.

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Wasservogel aus Mammutelfenbein, ca. 33 000 Jahre alt,
gefunden in der Hohle Fels-Höhle bei Blaubeuren, vermutlich
ein schamanistisches Amulett

Artefakt


Ein Splitter vom Mammutstoßzahn -

kein Keil für den sicheren,
den todbringenden Griff,
kein Schaber zur weiteren Zurichtung
von Knochen und Fell,

Splitter geschliffen zum Vogel,
zu nichts nütze,
als seinen Besitzer zu tragen

über das Feuer,
über das Wasser,
zum dunklen Ufer
und zurück.

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Flöte aus der Speiche eines Schwanenflügels,
ca. 35 000 Jahre alt, gefunden in der Geißen-
klösterle-Höhle bei Blaubeuren

Fantasie


Mein Atem im Knochen singt vom Norden,
wo die Schwäne nisten,
vom rauschenden Aufbruch ins wärmere Land,

singt von ihrer Rast auf unserem See,
weißer bewegter Herde,
und wie wir sie so leicht erlegten,
den Flügel vom Knochen trennten,

die Löcher bohrten, als der See schon verborgen lag
unterm Eis -

mein Atem im Knochen singt vom Norden,
wo die Töne nisten,
ist Flügelschlag überm Wasser,
Atemschlag, fliegender Klang

ist Stille: nur der Wind,
der durchs gefrorene Schilfrohr zieht.